Schon erledigt, Herr Minister

Rund 1.600 Frauen und Männer sind im Altkreis Merseburg-Querfurt in Feuerwehren organisiert. (FOTO: ARCHIV)
VON UNDINE FREYBERG, 21.08.12, 20:37h, aktualisiert 21.08.12, 22:20h

MERSEBURG/QUERFURT/MZ. Sie kommen, wenn Menschen in Not sind, es irgendwo brennt oder jemand bei einem Verkehrsunfall eingeklemmt wurde – die Männer und Frauen der Feuerwehr. Laut Brandschutzgesetz müssen sie binnen zwölf Minuten vor Ort sein, und das auch noch in der nötigen Einsatzstärke. In Sachsen-Anhalt schaffen das immer weniger Wehren – tagsüber sind es nur 219 der 1 633 Ortsfeuerwehren im Land.

Aus diesem Grund hat Innenminister Holger Stahlknecht (CDU) Reformen angekündigt, die zum Beispiel die Zusammenlegung von Wehren zur Folge haben könnten – um Kräfte zu bündeln und Geld zu sparen.

Da ist der Saalekreis wohl seiner Zeit voraus, denn was der Minister fordert, ist hier zum Teil schon Realität. Nimmt man zum Beispiel Günthersdorf und Kötzschlitz, die seit 1. Januar 2010 Ortsteile der Stadt Leuna sind.

Beide Orte waren je zur Hälfte für den früheren Saalepark, den heutigen Einkaufspark Nova Eventis, zuständig, da er auf ihrer Gemarkung liegt. Der Park wuchs immer mehr. „Und somit hätten auch die Feuerwehren wachsen müssen“, sagte Steffen Franke, der Ortswehrleiter der Wehr Günthersdorf / Kötzschlitz, der MZ. Doch das sei nicht der Fall gewesen.

„Günthersdorf hatte 22 Kameraden, Kötzschlitz nur sieben, bei beiden war die Tageseinsatzbereitschaft nicht mehr gewährleistet, weil eben viele nicht mehr dort arbeiten, wo ihre Wehr ist.“ Außerdem hätten beide Wehren, die nicht nur für Nova Eventis, sondern auch für mehrere Kilometer Autobahn und die B 181 zuständig sind, neue Feuerwehrgerätehäuser gebraucht. „Das hätte die Kommunen jeweils mehrere Millionen gekostet. Das wäre nicht zu rechtfertigen gewesen.“

In den Gemeinden wurden die Köpfe zusammengesteckt und ein Zusammengehen beschlossen. Der Beschluss wurde am 31. Dezember 2009, einen Tag vor der letzten Gemeindegebietsreform, an den Landkreis geschickt. Franke: „Damit konnte uns niemand widersprechen, und wir waren ab 1. Januar nicht nur Ortsteile einer Stadt, sondern auch eine gemeinsame Feuerwehr.“ Mittlerweile sei man auch wirklich zusammengewachsen. Das neue gemeinsame Feuerwehrhaus wurde 2011 eingeweiht.

Auch im Bereich Querfurt gibt es heute weniger Wehren als noch 2011. „Wir haben schon mehrere Wehren zusammengelegt“, sagte Querfurts Stadtwehrleiter Enrico Zeugner. Aus den Wehren Grockstädt, Spielberg und Kleineichstädt sei die Feuerwehr Spielberg geworden, und aus Ziegelroda und Landgrafroda die Feuerwehr Ziegelroda. Ausgangspunkt sei die Risikoanalyse gewesen, die dem Stadtrat vorgelegt und auch bestätigt worden war.

„Wir konnten in diesen Fällen die nötige Einsatzstärke von neun Kameraden nicht mehr gewährleisten – Landgrafroda war eh‘ eine schwach besetzte Wehr – und so haben wir uns im Frühjahr zu diesem Schritt entschlossen“, erzählte Zeugner. „Wenn wir allerdings einen Wohnungsbrand haben oder eine eingeklemmte Person bei einem Unfall, werden bei uns mindestens zwei Wehren alarmiert.

Bei Bränden in der Stadt Querfurt unterstützen uns zum Beispiel die Wehren Niederschmon, Gatterstädt und Spielberg.“ Es gelte das Prinzip: Wir sind eine Familie und kämpfen gemeinsam. Die zwölf Minuten bis zum Einsatzort habe man bisher immer einhalten können.

Im früheren Kreis Merseburg-Querfurt gibt es aber noch mehr Erfahrungen mit Wehr-„Hochzeiten“. „Bereits in den 90er Jahren haben sich Roßbach und Lunstädt zusammengetan“, sagte Michael Jahn vom Kreisfeuerwehrverband.

Wird es – wie von Minister Stahlknecht landesweit befürchtet – auch im Saalekreis so sein, dass Wehren durch das Ausscheiden älterer Kameraden in den kommenden Jahren personell stark dezimiert werden? Denn laut Gesetz dürfen Wehrleute nur von 18 bis 65 Jahren aktiv ihren Dienst versehen, danach gehören sie zur Ehrenabteilung.

In der Kreisverwaltung des Saalekreises sieht man hier offenbar kein großes Problempotenzial. „Im Bereich Merseburg-Querfurt gibt es derzeit 67 Kameraden, die sich im Alter zwischen 61 bis 65 Jahren befinden. Diese würden ohne Nachwuchs fehlen. Diese Größenordnung könnte jedoch kompensiert werden und hat keine große negative Auswirkung“, sagte Sprecherin Kerstin Küpperbusch.

 Auch rückblickend habe es keine große zahlenmäßige Veränderung gegeben. Am 31. Dezember 2007 habe es im Bereich Merseburg-Querfurt 1 600 aktive Kameraden gegeben, zum 31. Dezember 2011 waren es 1 594. „Durch eine im Landesmaßstab überdurchschnittlich gute Jugendarbeit sind noch keine wesentlichen Nachwuchssorgen zu verzeichnen“, so Kerstin Küpperbusch.
 Zudem sei es jetzt durch Bildung der Einheits- und Verbandsgemeinden und der Gemeindefeuerwehren möglich, die Kräfte und Mittel der Ortsfeuerwehren zu bündeln und spezifisch einzusetzen. Kritisch ist laut Küpperbusch jedoch anzumerken, dass die Freistellung gut qualifizierter Feuerwehrkameraden für die Feuerwehr durch die Arbeitgeber immer schwieriger wird.
Auch aus diesem Grund schlägt Michael Jahn vom Kreisfeuerwehrverband eine Lockerung des Gesetzes zum Alter der Einsatzkräfte vor. „Manche Kameraden könnten sicherlich auch jenseits der 65 einen Einsatz mitfahren“, meinte Jahn. „Sie müssen ja nicht an vorderster Front kämpfen.“ Um die Einsatzfähigkeit zu prüfen, wäre zum Beispiel ein regelmäßiger Gesundheits- und Fitness-Check möglich.

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